Was oder wer ist ein Schweizer, eine Schweizerin? Was macht ihn oder sie aus? Pünktlich um 1. August taucht diese Frage jedes Jahr von Neuem auf. Da ich mich oft in Deutschland aufhalte, erhalte ich ein klares Bild des Fremdbildes: Wir Schweizer werden als etwas langsam, aber verlässlich und ganz in Ordnung wahrgenommen. Die Beurteilung fällt meist wohlwollend, wenn auch nicht euphorisch aus.
Und wie sehen wir uns selber? Wenn ich uns mit den fröhlichen Bayern, den geschwätzigen Badensern oder den sparsamen Schwaben vergleiche, dann bleibt leider auch mein Beurteilung verhalten. Das Schweizer Volk zeigt sich häufig klamm in Sachen Kontaktfreude bis verklemmt in Sachen Lebenslust. Wir wollen korrekt sein und sind es auch, koste es, was es wolle. Wir wollen nicht kleinkarriert sein, sind es aber trotzdem, weil wir nicht anders können. Und wir wollen nicht selten mehr, als wir eigentlich sind. Sei es beim Geld, Ansehen oder Ego. Dieser ist manchmal genial, manchmal explosiv. Ich bin gerne Schweizerin, aber ich komme mit meiner kulturellen DNA oft nur klar, wenn ich die Landesgrenze häufig genug überschreite. Dort, wo Ausgelassenheit keine Todsünde und Offenheit kein Staatsdelikt darstellen.