Ein seltsames Verb. Zum einen weist es ein völlig regelwidriges Verhältnis zwischen Infinitiv und Präsens auf. Nach dem gängigen Muster sollte das Präsens nämlich nicht «ich muss» heissen, sondern «ich müsse». Schliesslich heisst es ja auch nicht „ich kuss», sondern «ich küsse». Würde sich umgekehrt der Infinitiv regelkonform ans reale Präsens anpassen, lautete die Grundform «mussen», nicht «müssen».
Von hier aus sind wir plötzlich ganz nah bei der «Musse». Diese hat allerdings inhaltlich rein gar nichts mit dem Modalverb zu tun, im Gegenteil. «müssen» ist sozusagen die inhaltliche Feindin der Gelassenheit. Wie oft sagen wir «Ich muss noch schnell»? Sind wir ehrlich: sehr oft. Doch wer sagt, dass und was man muss? In vielen Fällen die Umstände. Manchmal die Zeit. In den meisten Fällen man selber. In diesem Sinn gehört «müssen» weg aus den Tagen und Texten. Dafür sollte da etwas mehr «Musse» rein.