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Die Texterin

Bis vor kurzem wurde vegan mit ernährungstechnischem oder ideologischem Extremismus gleichgestetz. Mittlerweile gilt das Attribut schon fast als Synonym für nachhaltig. Immerhin nur fast.

Wir Textenden müssen bekanntlich ebenfalls fast jeden Trend früher oder später aufgreifen – ein gutes Beispiel dafür ist das Gendern. So frage ich mich, wie wohl mein erster veganer Text klingt.

Auf jeden Fall dürfte ich keine tierischen Produkte wie Fleisch, Fisch, Milch, Honig und Eier vertexten. Ich sollte wohl besser auf tierische Materialien wie Leder, Pelz, Daunen oder Wolle verzichten und nur Kosmetikprodukte und Reinigungsmittel nennen, die keine tierischen Inhaltsstoffe enthalten und nicht in Tierversuchen getestet wurden. Meine Geschichte dürfte nicht im Zoo, im Zirkus, auf der Rennbahn, auf einer Kutsche oder in der Reitschule stattfinden. Und schon gar nicht auf dem Fischkutter.

Mein erster veganer Text würden also nie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen oder bei der Pointe die Katze aus dem Sack lassen. Kein blindes Huhn würde auch nur ein Korn finden. Niemand würde auf dem hohen Ross sitzen, die Flöhe husten hören, ein Gedächtnis wie ein Elefant haben, jemandem Honig ums Maul schmieren, aufs falsche Pferd setzen, Krokodilstränen vergiessen, Schwein haben oder die Sau rauslassen, belämmert dreinblicken oder sich mit jemand anderem in die Wolle kriegen. Niemals würde je ein Kamel durch ein Nadelöhr gehen und die Spatzen würden nichts von den Dächern pfeifen. Es gäbe kein Ei des Kolumbus, keinen schrägen Vogel, keinen Wolf im Schafspelz, keinen alten Hasen und schon gar kein Friede, Freude, Eierkuchen.

Schade. Ich mag Eierkuchen – und Frieden erst recht. Ich verurteile Tierversuche aufs Schärfste, lehne jede Art von Speziesismus ab und würde alles für das Wohl meiner eigenen Tiere tun. Trotzdem fände ich es schade, wenn Tiere und tierische Wendungen aus meinen Texten verschwinden müssten. Sie bringen Leben ins Geschriebene und machen Kino im Kopf. Sie können einer Sache die Spitze nehmen und ein Lächeln herbeizaubern. Und vor allem fügen sie keinem einzigen Lebewesen Leid zu.

Also, liebe Tier- und Sprachfreund:innen: Lasst uns noch ein Weilchen auf vegane Texte verzichten, der Umwelt und der Sprache zuliebe. Vor allem: Noch kräht kein Hahn danach.